Gibt es aus Ihrer Sicht noch „sichere Häfen“ in der Versicherungsbranche, in die sich keine neuen Player vorwagen?
Die Versicherungsbranche steht vor einem Umbruch, da sich zum einen Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten von jungen Menschen drastisch verändert haben und zum anderen Technologie völlig andere Möglichkeiten zur Vereinfachung von Prozessen/Nutzung von Daten bietet. Dies betrifft alle Bereiche der Versicherung (Vertrieb, Betrieb, Risikomanagement) und alle Sparten (Sach, Kranken, Leben). Neben digitalen Vollanbietern (Getsafe, Lemonade, Next Insurance) gibt es zahlreiche B2B-Player, die sich auf Teile der Value Chain spezialisiert haben.
Die meisten InsurTechs bieten einfache, private Kompositprodukte an. Ist es nur eine ganz normale Entwicklung, auf dem Weg zum Vollanbieter mit den „einfachen“ Produkten anzufangen?
Die Beobachtung ist richtig – Player, die mit zu komplexen Produkten angefangen haben (ottonova, Getsurance), haben Wachstumsprobleme. Der Einstieg über einfache Produkte macht daher Sinn, um schnell eine hohe Anzahl von Kunden zu gewinnen und eine hohe Bekanntheit und Vertrauen zu erlangen. Die Entwicklung zum Vollanbieter ist aber möglich und wird sich in den nächsten Jahren Stück für Stück durchsetzen, wenn die Marken etabliert sind.
Welche InsurTechs sehen Sie in Deutschland, die sich zum Vollanbieter entwickeln könnten?
Durch die Spartentrennung in Deutschland erfolgt eine Entwicklung zum Vollanbieter immer schrittweise. Getsafe, das gerade eine Sachversicherungslizenz bei der Bafin beantragt hat, bietet bereits vielfältige Produkte in der Kranken- und Sach-Sparte über die App an – Lebensversicherungen sind in Planung. Daneben hat ONE angekündigt, neben Kompositversicherungen auch weitere (Makler-)Produkte anzubieten.
Wie bewerten Sie das Potenzial von InsurTechs in den komplexeren Produktsparten?
InsurTechs, die nur auf komplexe Produkte gesetzt haben, haben einen überschaubaren Markterfolg gehabt (ottonova, Getsurance) – Anbieter aus den USA (Ladder Life, Oscar Health) zeigen aber, dass ein Erfolg möglich ist. Getsafe verfolgt dagegen einen Multiline-Ansatz mit perspektivisch holistischem Produktangebot, um dem Kunden als Vollanbieter den individuell für ihn oder sie passenden Schutz anbieten zu können.