Wo sind aus Verbandssicht die größten Hebel für Versicherer beim Thema ökologische Nachhaltigkeit?
Versicherer haben mit ihren Kapitalanlagen eine beträchtliche Lenkungswirkung für ökologische Investitionen. Immerhin verwalten allein wir, die öffentlichen Versicherer, rund 150 Milliarden Euro. Deshalb sind die öffentlichen Versicherer Mitglieder der Initiative „Principles for Responsible Investment“ unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen geworden. Mit unserem Beitritt unterstreichen wir, dass wir ökologische, soziale und ethische Grundprinzipien bei unseren Investitionsentscheidungen berücksichtigen. Zunehmend wichtiger wird auch die Versicherungstechnik. Als Risikomanager und -träger spielen die Versicherer bei der nachhaltigen Transformation eine ganz entscheidende Rolle, vor allem bei der Absicherung der nicht mehr abwendbaren Folgen des Klimawandels.
Welche Ziele haben sich die öffentlichen Versicherer beim Thema ökologische Nachhaltigkeit gesetzt?
Die öffentlichen Versicherer haben sich zu ehrgeizigen Zielen bekannt. Erstens wollen wir mit unseren eigenen Geschäftsprozessen bis 2025 klimaneutral werden. Zweitens wollen wir die Kapitalanlage sowie die Versicherungstechnik sukzessive an den Pariser Klimazielen ausrichten. Bereits in den nächsten Jahren werden wir die Treibhausgasemissionen unserer Investitionen genau messen und weiter reduzieren. Dazu haben sich die öffentlichen Versicherer im Rahmen eines „Active Ownership“ zusammengeschlossen und wirken gemeinsam auf die nachhaltige Entwicklung der Unternehmen ein, in die sie investiert haben. Und drittens arbeiten wir am Ausbau nachhaltiger Altersvorsorgeprodukte und forcieren in der Schadenregulierung umweltschonende Ansätze wie Reparatur statt Tausch.
Wie bewertet der Verband die durch den Klimawandel hervorgerufene Steigerung extremer Wettereignisse?
Das Jahr 2021 liefert uns vielleicht schon einen Ausblick auf die Folgen des Klimawandels. Nicht nur die Anzahl der Ereignisse steigt – das beobachten wir schon seit Jahren – sondern auch die Intensität und damit die potentiellen Schäden nehmen zu. Mit rund 30 Prozent Marktanteil in der Absicherung privater Wohnimmobilien sind die öffentlichen Versicherer nach dem Hochwasser vom Juli stark gefordert. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind noch immer unermüdlich in der Schadenregulierung aktiv. Neben finanziellen Entschädigungen gehört dazu auch die Organisation von Notunterkünften, die Vermittlung von Handwerkern und unsere langjährige Expertise bei Fragen des Wiederaufbaus. Da Starkwettereignisse in Zukunft eher häufiger und stärker werden, muss die individuelle wie auch die staatlich-kollektive Schadenprävention oberste Priorität für die Zukunftsplanung haben. Dies ist nicht nur vielfach preiswerter als eine wiederholte Schadenbeseitigung. Sondern es ist die einzige Möglichkeit, immaterielle Schäden und menschliches Leid zu vermeiden. Darum sprechen wir Versicherer auch weiterhin mit unseren Kunden, wie Schäden vermieden oder zumindest deutlich begrenzt werden können. Aber vor allem sind hier Kommunen und Länder gefordert – hinsichtlich des baulichen Schutzes privater Wohn- und Gewerbeimmobilien, aber eben auch als „Treuhänder“ steuerfinanzierter, öffentlicher Infrastruktur.
Mit welchen Strategien kann Kunden auch in Zukunft eine Absicherung ihrer Risiken angeboten werden?
Die öffentlichen Versicherer werden nicht nur weiter Klimarisiken versichern, sondern gehen aktiv auf ihre Kunden zu, die noch nicht über einen entsprechenden Schutz verfügen. Wir gestalten derzeit ein neues Branchenkonzept mit, das aufzeigen wird, wie und unter welchen Voraussetzungen sich die Verbreitung der Naturgefahrenversicherung zu risikogerechten Preisen signifikant erhöhen lässt. Der Verband öffentlicher Versicherer und seine Mitglieder unterstützen hier die Branchensicht, dass wir in Deutschland ein neues Gesamtkonzept zur Klimafolgenanpassung benötigen, das Aufklärung, verbindliche Maßnahmen zur privaten und staatlichen Prävention sowie Versicherungslösungen umfasst. Die Folgen von Unwetterkatastrophen wie das Hochwasser in NRW und Rheinland-Pfalz lassen sich nur im verantwortlichen Zusammenwirken von Bund, Ländern, Kommunen, Hauseigentümern, Kreditwirtschaft, Mietern und Versicherern minimieren.
Wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch!