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Rechtliches
Trend 3

Hyper-Individualisierung

Direct with Consumer – oder: Das Ende der standardisierten Produkte

Kund:innen erwarten ein immer stärker auf sie zugeschnittenes Angebot. Die Entwicklung ging dabei vom früheren Massenmarkt zu einer Segmentierung und Fragmentierung hin zum heutigen Trend der Individualisierung. Individuelle Lifestyles befinden sich zudem in immer stärkerer Wechselwirkung mit Produkten und Services. So erwarten Konsument:innen eine höhere Transparenz und eine stärkere Einbindung in die Produktentwicklung, bis hin zu einer Co-Creation. Darüber hinaus werden sich fragmentierte Angebote auf Basis von verfügbaren Lifestyle-Daten etablieren, die zum Beispiel über Wearables oder auf Basis von Big Data erhoben werden. Dieser Wunsch nach Transparenz und individueller Ansprache setzt die Versicherungsbranche zunehmend unter Druck, ihren Kund:innen hochgradig personalisierte Angebote zu machen.

Analyse

Übergreifende Sicht

Mit der Entstehung des Massenmarktes Anfang des 20. Jahrhunderts stieg auch das Bedürfnis, Märkte durch eine Segmentierung noch besser zu erschließen. Diese immer feinere Segmentierung führte zu einer Fragmentierung von Produkten und Services, um sehr spezifische Bedürfnisse bestimmter Kundengruppen zu erfüllen. Durch das Aufkommen von Lösungen zur „Mass Customization“ war es schließlich möglich, individuell zugeschnittene Produkte dennoch als Massenprodukt zu fertigen und damit für breite Käuferschichten erschwinglich zu machen. Beispiele dafür sind individuell konfigurierbare PKW, selbst zusammenstellbare Müslis des Food-Start-ups MyMuesli und die in Farbe und Form anpassbaren "Nike by You" Sneaker.

Steigende Kundenerwartung zum Thema Individualisierung über die Zeit

Damit ist diese Entwicklung aber noch nicht am Ende. Konsument:innen erwarten branchenübergreifend Angebotsvielfalt und Personalisierungsmöglichkeiten – also werden fragmentierte Angebote bis hin zur vollständigen Individualisierung zur allgemeinen Kundenerwartung. Dies führt sogar dazu, dass Kund:innen schon bei der Produktentwicklung einbezogen werden möchten, um von Anfang an ein für sie passendes Produkt mitzugestalten. Branchenübergreifend bewegt sich alles in Richtung „Customer Centricity“, das heißt: Konsument:innen stellen sich die für sie individuell passenden Produkte und Services zusammen. Marketing und Kommunikation folgen dabei einem ähnlichen Muster: n=1 wird zur Zielgruppe.

nennen ein personalisiertes Erlebnis das entscheidende Differenzierungsmerkmal für Marken.

Walker 2017

Beispiele

Individuelle Kundenansprache und -einbindung durch Marken

Netflix & Stranger Things

Der Streamingdienst Netflix führte für die Serie Stranger Things eine individualisierte Kundenansprache ein. Je nach Sehgewohnheit wurden Visuals, Trailer und Beschreibungen der Serie angepasst – und konnten so gleichzeitig Fans von Horrorfilmen, Coming-of-Age-Werken und Teenie-Komödien begeistern. Die Technologie dahinter ist eine algorithmische Verhaltensanalyse: Künstliche Intelligenz erkennt die emotionalen Vorlieben der Zuschauer:innen und bietet individuelle Trailer, Artwork und sogar individualisierten Content an.

Nike by Melrose

Ein Beispiel für Marken, die ihr Erscheinungsbild in Bezug auf ihre Corporate Identity, Kommunikation und das physische Erlebnis komplett an die Umgebung, in diesem Fall eine Community, anpassen, ist der Nike Store in der Melrose Avenue von Los Angeles. Store-Design, Services und Produkte sind hier komplett auf die Zielgruppe West Hollywoods angepasst.

Fan Controlled Football League

Die FCFL ist eine reale Football-Liga, die komplett von ihren Fans gemanaged wird. Selbst eine Trainerentlassung ist hier nur eine Mehrheitsentscheidung entfernt. Die FCFL verzeichnete in den ersten fünf Wochen einen stetigen Anstieg bei den Zuschauerzahlen – von 735.000 in der ersten Woche auf 2,1 Millionen in den Playoffs.

Analyse

Welchen neuen Wege können Versicherer gehen?

Persönliche Beratung und relativ stark standardisierte Produkte – das war, zumindest im Privatkunden-Segment, jahrelang das Erfolgsrezept in der Versicherungswirtschaft. Zwar konnten Versicherungssummen angepasst und Rabatte eingeräumt werden, aber die Grundprodukte waren relativ starr. Seit einigen Jahren beginnen Versicherer, diese Logik aufzubrechen: Unter dem Schlagwort „Modularisierung“ können sich Kund:innen unter verschiedenen Paketen – zum Beispiel Silber, Gold oder Platin – entscheiden oder einzelne Module an- und abwählen.

Im Vergleich zu anderen Branchen liegt die Versicherungswirtschaft damit aber noch weit zurück. Versicherte wünschen sich neue Produkte, insbesondere im Hinblick auf Einfachheit, Personalisierung und Flexibilität. 73 Prozent der globalen Konsument:innen hoffen, dass ihnen ihr Versicherungsberater auf die eigenen Bedürfnisse personalisierte Produkte und Services anbietet.

Bereits 2015 haben sich deutsche Konsument:innen klar für mehr Mitwirkung bei Versicherungsprodukten ausgesprochen (TNS Infratest/Community Life, 2015). Und 83 Prozent hoffen, dass ihr Berater oder ihre Beraterin empathisch ist und Probleme aus der Perspektive der Kund:innen sieht.

83 Prozent hoffen, dass ihr Berater oder ihre Beraterin empathisch ist und Probleme aus der Perspektive der Kund:innen sieht.

Earnix: The Age of Insurance Personalization, 2019

Heute gibt es bereits Produkte mit Varianten und Modulen. Im B2C-Bereich gibt es auch etliche Nischen- und Segmentanbieter mit einem gewissen Grad an Flexibilität. Und Anbieter im B2B-Bereich haben bereits co-kreative Prozesse aufgesetzt, um individualisierte Produkte gemeinsam mit den Kunden zu erstellen (siehe hier das unten folgende Beispiel Moonshot Insurance). Das Zeitalter personalisierter Versicherungen hat also längst begonnen. Bereits 2019 waren 89 Prozent der Versicherer der Meinung, dass innerhalb von fünf Jahren, also bis 2024, personalisierte Produkte und Services der Standard sein werden.

Individuelle Produkte für individuelle Bedürfnisse

In Zukunft sind die Produkte so individuell, dass sie persönliche Daten berücksichtigen und jedes Produkt 1:1 auf den Kunden zugeschnitten sein wird.

Individualisierte Tarife

Fast schon ein Klassiker sind Versicherungen, die auf Basis von Fitness-Trackern und App-Kooperationen individualisierte Tarife für gesunden Lebensstil anbieten – zum Beispiel in den Bereichen Krankenversicherung oder Lebensversicherung. Vorreiter war hier Generali, im Rahmen einer exklusiven Kooperation mit dem Gesundheits- und Wellnessprogramm Vitality.

Daten-Sharing

Wichtigster Ansatzpunkt, um das Angebot für Konsument:innen zu vereinfachen und überhaupt personalisieren zu können, ist die Reduktion von Touchpoints. Eine Personalisierung kann durch Konfiguration, Datenauswertung und Kommunikation erfolgen. 69 Prozent der globalen Versicherten geben an, dass sie signifikante Datenmengen zu ihrer Gesundheit, zu Sport und ihrem Fahrverhalten teilen würden, um günstigere Versicherungsangebote zu erhalten. Das sind 19 Prozent mehr als noch 2019.

Kommunikation

Ansprache ist so wichtig wie das Produkt selbst – insbesondere die digitale Kommunikation bietet dabei viele Möglichkeiten, die Ansprache zu individualisieren und damit bestehende Lücken bei Versicherungen zu schließen. Besonders beim abstrakten und tendenziell unattraktiven Produkt „Versicherung“ kann die hochpersonalisierte Ansprache genau im richtigen Moment die Erfolgschancen und Konversionsraten im Versicherungsvertrieb stark verbessern.

Zeitraum, in dem globale Versicherer glauben, dass Konsument:innen Personalisierung voraussetzen.

Earnix: The Age of Insurance Personalization (2019)

Versicherungen haben zwei Möglichkeiten der Positionierung:

One Access Point
  • Versicherer mit zentralem Interface zu ihren Kund:innen als Anlaufstelle für alle versicherungsrelevanten Themen

  • Vorteil
    An individuellen Lifestyle angepasste Produkte

Ökosysteme
  • Versicherer als Teil eines Ökosystems aus für den Lifestyle relevanten Marken und Organisationen. Integration über Schnittstellen der Partner.

  • Vorteil
    Fragmentisiertes Angebot, optimiert auf den jeweiligen Touchpoint

Case Studies

4 Beispiele für personalisierte Versicherungen

CASE 1

Moonshot Insurance

Der Anbieter Moonshot Insurance nutzt co-kreative Methoden, um zusammen mit (B2B-)Kunden individualisierte Versicherungsangebote zu entwickeln. Mit Insurance-As-A-Service-Lösungen bietet das InsurTech der Société Générale kontextuelle Whitelabel-Versicherungen mit einem vollständig digitalen Kundenerlebnis für E-Commerce, Finanzdienstleister und Mobilitätsanbieter an.

CASE 2

iptiQ+IKEA

iptiQ ist eine Tochter der SwissRe mit Fokus auf der Realisierung von Versicherungsangeboten für verschiedene Ökosysteme. Dadurch entsteht eine Alternative zum Single-Touchpoint: Versicherungen werden genau da angeboten, wo der Bedarf entsteht - sei es die Hausratversicherung am Point-of-Sale bei IKEA, die Mietausfallversicherung auf ImmoScout24 oder die Wohnmobilversicherung im Rahmen einer Reisebuchung.

CASE 3

Zhong An

Anders als iptiQ baut der chinesische Versicherer ZhongAn sein eigenes Ökosystem und wird somit zum "One Access Point". Die Produkte sind perfekt in E-Commerce-Angebote, digitale Gadgets, Reiseprodukte, Gesundheitsportale, Finanzdienstleister und Mobilitätsanbieter integriert. Das Unternehmen, das sich selbst als Technologieunternehmen und nicht als Versicherer bezeichnet, behält somit die Datenhoheit und kann die Rundum-Sicht auf den Kunden für zugeschnittene Angebote nutzen.

CASE 4

Zelros

Dieser Anbieter setzt auf personalisierte Kundenkommunikation auf Basis von KI. Zelros bietet eine KI-gestützte Plattform, die aus diversen unstrukturierten Daten personalisierte Ansprachemöglichkeiten und Beratungsansätze ableitet. Dadurch werden zum Beispiel Versicherungsberater dabei unterstützt, ihren Kunden ein maximal personalisiertes Erlebnis zu bieten. In einer Ausprägung „lauscht“ die KI von Zelros bei Beratungsgesprächen und gibt dem Berater in Echtzeit Tipps für eine zugeschnittene Ansprache und Unterstützung des Kunden.

Interview

Externer Blick

Jan Petersen, Referat Verbund Versicherungen, Abteilung Vertrieb des DSGV über integriertes Ansprachemanagement.

Wie erleben Sie den Trend einer Personalisierung in der Kundenansprache?

Auf allen Ebenen des "Vertriebskreislaufs" - von der Vertriebsplanung über das Ansprachemanagement bis hin zur Kundenberatung. Dabei spielen Daten eine entscheidende Rolle. Mit Sparkassen DataAnalytics können Sparkassen ermitteln, welche Kunden für welche Produkte affin sind und sie dann zielgenau ansprechen. Mit dem neuen "integrierten Ansprachemanagement", das mit dem FI-Release 22.0 in seiner ersten Umsetzungsstufe kommen wird, geht das sogar weitgehend automatisch. Besonders erfolgreich ist dabei übrigens  - das hat die Pilotierung gezeigt - die Kombination aus medialen Vertriebskanälen für die Erstansprache und dann Beratung sowie Abschluss über den Berater oder das KSC. - Und beim gerade laufenden Update des Finanzkonzepts beispielsweise hat man das bisherige etwas holzschnittartige Lebensphasenkonzept durch individuellere, datenbasierter Empfehlungen weitgehend ersetzt.

Wie ist die Strategie der Sparkassen diesbezüglich?

Die Sparkassen sind da, wo der Kunde ist. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, wenn es um den stationären Vertrieb geht, aber auch im übertragenen Sinne, wenn es um die Ermittlung seines Bedarfs für die Ausspielung von Anspracheimpulsen in den medialen Kanälen geht.

Können Sie ein Beispiel nennen, wo eine Personalisierung bereits heute erfolgreich in der SFG zum Einsatz kommt?

Wie gesagt: Daten sind das A und O beim Thema Personalisierung. Sparkassen DataAnalytics ist jetzt seit gut drei Jahren im Einsatz und das mittlerweile bei fast 90 % der Sparkassen. Für mich eine echte Erfolgsgeschichte mit noch viel Potential für die Zukunft.

Wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch!

Zusammenfassung

Welche Schlüsse lassen sich ziehen?

Learning 1

Konsument:innen vermissen die richtigen Produkte für ihren Lebensstil

Die „One-Size-fits-all“ Mentalität von Versicherern hat ausgedient. Technologische Lösungen geben Konsument:innen über Baukastensysteme, dynamische Fragestrecken oder vollautomatisiert per Datenfreigabe die Möglichkeit individualisierte Produkte zu erschaffen.

Takeaway: Die Individualisierung von Versicherungsprodukten im digitalen B2C-Bereich steckt noch in den Kinderschuhen. Hier lassen sich mit Kontext, Daten und Konfiguration viele zukunftsfähige Möglichkeiten schaffen.

Learning 2

Marketing und Kommunikation werden personalisiert

Eines der größten Defizite von Versicherern ist die unzureichende Kommunikation. Hier können technologische Lösungen die Servicequalität stark erhöhen.

Takeaway: Versicherer müssen im Rahmen des allgemeinen Convenience-Trends ihr Service-Angebot um die richtigen Kanäle und Technologien zur Personalisierung der Ansprache erweitern.

Learning 3

Versicherungen verschmelzen mit Lifestyle-Brands zu Ökosystemen oder entwickeln sich zum „One Access Point"

Für Versicherer sind zwei Entwicklungsmöglichkeiten denkbar – entweder die Positionierung als zentrale Schnittstelle zum Kunden, über die der gesamte Versicherungsbedarf individuell abgedeckt wird oder aber als unsichtbarer Teil von Ökosystemen.

Takeaway: Versicherer müssen lernen, in Ökosystemen zu denken und ihre Stärken überall da auszuspielen, wo Touchpoints die beste Conversion für ihre Produkte versprechen.

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