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These

Fast Following ist etabliert

Die etablierten Versicherer digitalisieren evolutionär
Nach der Startphase und der ersten InsurTech-Welle folgten die großen Digitalisierungsinitiativen der etablierten Versicherer. Diese beschränken sich größtenteils auf die evolutionäre Transformation der Geschäftsmodelle. So werden von ihnen kaum Neuheiten in den Markt gebracht, die nicht zuvor schon bei InsurTechs zu beobachten waren. Das sogenannte „Fast Following“, also das Kopieren von bewährten Ideen zur Risikominimierung, hat sich hier als Unternehmensstrategie bewährt. Die wahren Wettbewerber der etablierten Versicherer sind somit nicht die InsurTechs, sondern die erfolgreichen Fast Follower. In dieser These schauen wir uns den Stand der Digitalisierung der etablierten Versicherer an und analysieren den Reifegrad entlang der Wertschöpfungskette. Abschließend werfen wir einen Blick auf das Vorgehen bei der Entwicklung innovativer Digitalisierungsinitiativen in der deutschen Versicherungswelt.

Analyse

Digitale Transformation entlang der Wertschöpfungskette

Die Reaktionen der etablierten Versicherer auf die Innovationen der B2C- und B2B-InsurTechs lassen sich entlang der Wertschöpfungskette in 4 Dimensionen strukturieren: Kundeninteraktion, Beratung/Vertrieb, Produkte und Schaden. Dabei legten die B2C-InsurTechs insbesondere bei der Kundeninteraktion und der Darreichungsform ihrer Produkte vor (vgl. These 3). Heute zeigen aber vor allem die Unternehmen mit B2B-Ausrichtung, in welche Richtung die Innovationen gehen, indem sie unterstützende Lösungen zur Digitalisierung der Prozesse entlang der gesamten Versicherungswertschöpfungskette bieten (vgl. These 5).

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Die Etablierten fokussieren Kundeninteraktion und Beratung

Aktuell sind die etablierten Versicherer in der digitalen Kundeninteraktion und in den Beratungsstrecken insgesamt noch weit entfernt von den Digitalisierungsgraden der InsurTechs. Dennoch zeigt sich, dass sie die Handlungsfelder identifiziert haben, deutlich investieren und die Prozesse in der Beratung und Kundeninteraktion zunehmend digitalisieren. Insbesondere bei digitalen Beratungsprozessen hat mittlerweile ein Großteil umfassende Informationen für Endkunden und Vermittler digital abgebildet und die Benutzeroberflächen für mobile Geräte optimiert. Eine große Herausforderung bleibt aber eine technisch verzahnte, friktionsfreie, übergreifende Steuerung der Vertriebskanäle.


Quelle: zeb research

Online-Beratungsprozess
A / Icon / Plus

Ein Großteil bietet umfassende Online-Informationen, aber keine automatisierten Beratungstools (z. B. Robo Advisor).

Mobile Optimierung
A / Icon / Plus

Ein Großteil hat die Online-Benutzeroberfläche bereits für das gesamte Produkt- und Serviceportfolio mobil optimiert.

Verknüpfung stationärer Beratungstools
A / Icon / Plus

Etwa die Hälfte hat digitale Beratungstools im stationären Vertrieb mit den zentralen Antragsstrecken verknüpft.

Omnikanale Vertriebssteuerung
A / Icon / Plus

Ein Großteil hat keine omnikanale Vertriebssteuerung aufgebaut und nur ausgewählte Funktionen zentralisiert.

Technische Verzahnung der Kanäle
A / Icon / Plus

Bei einem Großteil ist ein friktionsfreier Kanalwechsel nicht – oder nur für ausgewählte Pilotprozesse – möglich.

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Auch in der digitalen Produktverfügbarkeit holen die Etablierten auf

Die größten 25 Versicherer in Deutschland bieten mittlerweile mehr als 70 % der wesentlichen Kompositprodukte (ohne Wohngebäude) so an, dass sie online berechnet und abgeschlossen werden können. Der USP einiger InsurTechs, der auf vereinfachte Produkte mit vereinfachter Antragsstrecke setzt, löst sich damit zumindest im Bereich Privat-Komposit zunehmend auf.

Lesart: 44% der Versicherer haben alle Kfz-Versicherungsprodukte online abschlussfähig

Quelle: zeb Pulse Check

Die private Haftpflicht kann heute bereits bei fast allen der deutschen Top-25-Versicherer online abgeschlossen werden. Bei der Wohngebäudeversicherung ist noch ein weiter Weg zu gehen: Nur Axa, Zurich, HUK24, VHV haben bereits alle ihre Hauptprodukte im Kompositbereich so stark vereinfacht, dass sie umfassend digital abschlussfähig angeboten werden können.

Quelle: zeb Pulse Check
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Der Schadenbereich wird zunehmend digital

Die Digitalisierung des Schadenbereichs ist bei den Versicherern seit etwa zwei Jahren in den Fokus gerückt. Grund dafür ist das zunehmende technologische Angebot von InsurTechs. Auch wenn beispielsweise bei Kfz-Versicherungen oder privaten Krankenversicherungen der Digitalisierungsgrad teilweise schon höher ist, sind Versicherer insgesamt noch weit davon entfernt, ihre Basisprozesse im Schadenbereich automatisiert abzuwickeln. Das gilt auch für Mengenschäden* im Kompositbereich. Hier ist für sie noch ein besonders weiter Weg zu gehen. Dennoch arbeitet aktuell nur noch eine Minderheit von ca. 10 % der Versicherer im Schadenbereich weitestgehend manuell. Dies beweist, dass viele Einzelprozesse zunehmend digitalisiert und automatisiert werden.

*Ein einziges Schadenereignis, z. B. Sturm, führt dazu, dass viele Versicherungsnehmer eines Versicherers gleichzeitig einen Schaden erleiden.

InsurTechs haben in vielen Bereichen neue Möglichkeiten bei Technik und Prozessen aufgezeigt. Viele etablierte Player holen dank hoher Investitionen in die Digitalisierung auf, um sich diese Möglichkeiten zu erschließen. Auf diesem Weg sind nach unseren Erfahrungen unflexible IT-Architekturen und unzureichend verankerte Innovationskulturen derzeit die höchsten Hürden.

Stefan Geipel – Partner zeb

Analyse

Die Transformation von Versicherern verläuft größtenteils evolutionär

76 % aller Versicherer geben an, hauptsächlich Bestehendes zu digitalisieren oder das Geschäftsmodell evolutionär digital zu erweitern, z. B. durch die Ergänzung digitaler Services. Weitere 56% der Versicherer prüfen Kooperationen und/oder Akquisitionen nur anlassbezogen. Von einer „Aufholjagd“ bei den technologischen Möglichkeiten, die im InsurTech-Bereich sichtbar werden, kann also kaum gesprochen werden. Fast Following scheint sich durchzusetzen.

Quelle: zeb digital Pulse Check 2019
Quelle: zeb digital Pulse Check 2019

Ausgründung etablierter Versicherer

Einige Versicherer beschleunigen ihre Transformation durch die Ausgründung von „Digitaltöchtern“. Drei der bekannten „Neo-Insurer“ sind Tochterunternehmen etablierter Versicherer: Friday, nexible und andsafe. Insgesamt zeigen diese Ausgründungen, dass sich Prozesse radikal digitalisieren lassen. Die Neo-Versicherer beschreiben sich selbst oft als „schnell, papierlos und voll digital“. Manche Vertriebswege hängen dennoch zum Teil hinterher (vgl. These 4).

Nähe von Versicherern und deren Ausgründungen:

Quelle: zeb Pulse Check
Zusammenfassung

Welche Schlüsse lassen sich ziehen?

Learning 1

InsurTechs haben die Nase vorn

InsurTechs haben den Etablierten vorgemacht, wie man die komplette Wertschöpfungskette digitalisieren kann. Auch wenn kein einzelnes InsurTech alles voll bedient, werden doch ganzheitlich Use Cases sichtbar.

Learning 2

In der Ruhe liegt die Kraft

Viele Versicherer sind auf dem Weg, als Fast Follower die Wettbewerbsnachteile gegenüber den InsurTechs auszugleichen. Bis auf die radikaleren Ausgründungen dominiert aber ein evolutionäres Vorgehen. Der Wettbewerb von morgen wird entscheiden, ob dies auch in Zukunft ausreicht.

Learning 3

Umsetzungsstärke ist entscheidend

Fast Following ist nur möglich, wenn Versicherer in angemessener Zeit auf Innovationen reagieren. Am Ende gewinnt der, der gut beobachtet und in der Lage ist, erfolgreiche Lösungen schnell zu adaptieren.

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Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert

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