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„Direkt“ steht auch bei Neo-Versicherern noch „on hold“

Sind Neo-Versicherer auf dem Direkt-Weg?
Ein Großteil der Neo-Versicherer und Assekuradeure trat mit der ambitionierten Vorgabe an, ohne „teuren“ eigenen Vertrieb Kunden über digitale Direktkanäle zu gewinnen. Der Direktvertrieb in Deutschland gewinnt aber nur schleppend an Bedeutung. Nicht zuletzt, weil es grundsätzlich herausfordernd ist, bei den Kunden Begeisterung für das Thema Versicherung zu entfachen, lassen sich selbst einfache Produkte wie Hausrat oder Privathaftpflicht nur schwer – und dann zumeist in Verbindung mit hohen Kosten (Customer Acquisition Costs) – direkt verkaufen. Daher setzen heute nahezu alle Neo-Versicherer, neben dem Direktvertrieb über App und Website, auf zusätzliche Vertriebskanäle wie Makler oder Vergleichsplattformen und auf Vertriebskooperationen mit beispielsweise Banken.

Analyse

Die Erfolgsbilanz der Neo-Versicherer

Für diesen Teil der Analyse haben wir die Daten des sogenannten „Solvency and Financial Condition Reports“ (SFCR) der in Deutschland aktiven Neo-Versicherer aus dem Jahr 2019 untersucht. In Deutschland waren 2019 neun Neo-Versicherer aktiv. Die ersten Neo-Versicherer, namentlich ottonova, nexible und Friday, starteten den Vertrieb in 2017. Im Folgejahr kamen Neodigital, Coya und ONE hinzu. 2019 folgten (vorerst abschließend) mailo, andsafe und Lemonade. Beim Vergleich des Geschäftsvolumens müssen diese zeitlichen Unterschiede berücksichtigt werden.

Quelle: SFCRs 2019
Analyse

Neo-Versicherer und ihre Vertriebswege

Die zwei Neo-Versicherer mit dem größten Geschäftsvolumen sind nexible und Friday. Erklären lässt sich dieses Volumen durch ihr Geschäftsmodell: Sie waren 2019 als Einzige im größten Marktsegment der Kfz-Versicherungen aktiv und vertreiben ihre Angebote erfolgreich über Vergleichsportale. Eine zweite Gruppe sehen wir in ONE, ottonova und Neodigital, die auch ohne ein entsprechendes Kfz-Angebot ein höheres Beitragsvolumen erreicht haben. Sie setzen schwerpunktmäßig auf den Maklervertrieb. Coya wiederum ist ein guter Beleg für unsere Ausgangsthese, dass es für InsurTechs schwer ist, im B2C-Vertrieb zu wachsen. Mit nur 0,8 Mio. EUR Beitragsvolumen Ende 2019 war Coya noch weit vom Zielumsatz entfernt. Es überrascht deshalb nicht, dass Coya nun auch über Check24 und Vertriebspartnerschaften neues Wachstum sucht. Für mailo und andsafe war 2019 das Rumpfjahr, so dass eine Bewertung nach heutigem Stand zu früh käme. Beide setzen als Gewerbeversicherer von Anfang an auf einen Vertriebswegemix aus eigenen Kanälen, Maklern und Vergleichsportalen. Lemonade ist ebenfalls erst 2019 in Deutschland gestartet und setzt als einziger Neo-Versicherer ausschließlich auf eigene digitale Vertriebskanäle.

Quelle: zeb research
Verständnis

Sind Vergleichsportale auch Makler?

Vielen Endkunden ist es nicht bewusst, aber bei Vergleichsportalen wie Check24, verifox oder auch dem kürzlich eingestellten Joonko handelt es sich rechtlich gesehen um reguläre Versicherungsmakler gemäß § 34d GewO mit entsprechenden Rechten und Pflichten. Mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrages über das Vergleichsportal schließt der Kunde gleichzeitig einen Maklervertrag ab. Das Vergleichsportal erhält Provisionen vom Versicherer.

Von den in Deutschland aktiven Neo-Versicherern setzt nur noch einer ausschließlich auf den Vertrieb über den eigenen Direktkanal

Analyse

Wo steht der Direktvertrieb in Deutschland heute?

Um die Entwicklung des Direktmarkts zu beleuchten, werfen wir nun einen Blick auf die führenden Direktversicherer in Deutschland. Die größten deutschen Direktversicherer gewinnen stetig, aber langsam an gebuchten Bruttobeiträgen und Marktanteilen hinzu.

In die Analyse sind die Ergebnisse folgender Direktversicherer eingeflossen:

Quelle: zeb research

Kompositgeschäft führender Direktversicherer

Quelle: zeb research
Analyse

Marktanteile der führenden Direktversicherer

Insgesamt lässt sich beobachten, dass der addierte Marktanteil der Direktversicherer in der Kompositversicherung zwar von 2,4 % auf 4,1 % gestiegen ist, damit aber immer noch auf einem sehr geringen Niveau verharrt. Legt man die Analyse noch eine Stufe tiefer auf die Versicherungszweige, wird ersichtlich, dass das Wachstum ausschließlich aus der Kfz-Versicherung generiert wird (Anstieg von 5,3 % auf 8,9 %). Dieses Wachstum wiederum kommt zu einem Großteil über Vergleichsportale. „Nicht-Kfz“ bleibt nahezu bedeutungslos mit einem Marktanteil von 1,0 % (2010: 0,7 %). Ein Beispiel dafür ist Allianz Direct, die nach ihrem Rückzug aus den Vergleichsportalen 2019 einen Rückgang von 14 % verbuchen musste.

Überspitzt formuliert bedeutet dies: Geschäft der Direktversicherer in Deutschland = Kfz-Versicherung über Vergleichsportale

Marktanteil der Direktversicherer in Prozent. Quelle: zeb research
Interview

Externer Blick

Als Experte für digitale Versicherungen teilt Thomas Rechlin in einem Interview mit uns seine durchaus kritische Sicht auf die Rolle und die Chancen von Neo-Versicherern im Direktvertrieb.

Warum konnten die Neo-Versicherer aus Ihrer Sicht im Direktgeschäft volumenmäßig noch nicht überzeugen?

„Es ist die herrliche Hilfe der Assekuranz, zu der Menschen Wohlfahrt zu wirken, dass sie nicht nur sicher, sondern wohl leben.“ Dieses Zitat von Gottfried Wilhelm Leibniz ist eine meiner Kernmotivationen, in der Versicherungsbranche zu arbeiten. Die Möglichkeiten der Digitalisierung können aus meiner Sicht sehr dabei helfen, diese Mission zu erfüllen. Die aus Kundenperspektive sinnvolle und notwendige Transformation der „Dienstleistung Versicherung“ ist aus meiner Sicht noch nicht gelungen. Auch die Neo-Versicherer konnten dies mit ihren „neuen“ Markenbotschaften noch nicht wirklich ändern. Aus meiner Beobachtung steht bei den Neo-Versicherern zu sehr der betriebswirtschaftliche Zweck im Fokus. Das bringt aber nicht wirklich Vorteile für den Endkunden. Nur wenn es den Neo-Versicherern mit ihren digitalen Plattformen gelingt, ein positives Lebensgefühl zu erzeugen, werden sie wirkliche Änderung bewirken und ein größeres Wachstum generieren.

Wenn Neo-Versicherer am Ende über Makler verkaufen, verlieren sie damit nicht einen großen Kostenvorteil und damit Wettbewerbsvorteil gegenüber den Etablierten?

Das ist richtig. Dennoch haben sie den Vorteil, innovative Plattformen entwickelt zu haben. Diese können sie nicht nur im Maklergeschäft, sondern auch den etablierten Versicherern anbieten. Vielleicht entsteht so für alle Marktteilnehmer ein positiver Effekt.

Wie sind die Erfolgschancen der Neo-Versicherer im persönlichen Kanal?

Ich schätze ihre Erfolgschancen im persönlichen Kanal hoch ein, wenn es ihnen gelingt, durch ihre digitalen Plattformen auf den Endkunden zugeschnittene relevante Prozesse und Informationen anzubieten. Das Segment der Altersvorsorge bietet hierfür zum Beispiel ein großes Potenzial.

Können Neo-Versicherer den etablierten Direktversicherern gefährlich werden bzw. signifikant Marktanteile abnehmen? Warum (nicht)?

Die Neo-Versicherer werden es schwer haben, wenn sie weiterhin ausschließlich über den Preis verkaufen und damit eigentlich nur den Markt der Direktversicherer bearbeiten. Dieser bietet nicht ausreichend Volumen und Ertrag. Daher lautet meine Antwort: Nein, sie werden unter diesen Bedingungen nicht gefährlich.

Welche Entwicklungen erwarten Sie hier?

Auch die Neo-Versicherer werden sich stärker als B2B-Anbieter positionieren, indem sie ihre Plattformen den Etablierten anbieten und sich aus dem direkten Versicherungsgeschäft zurückziehen. Möglicherweise gelingt es einigen wenigen, ihre Plattform zu etablieren und ihr Geschäftsmodell als Insurance-as-a-Service-Anbieter auf eine Transaktions- oder Lizenzkosten-basierte Abrechnung umzustellen.

Zusammenfassung

Welche Schlüsse lassen sich ziehen?

Learning 1

Digital, aber nicht ausschließlich direkt

„Neue“ InsurTechs mit niedrigem Bekanntheitsgrad genießen keinen Vertrauensvorschuss bei den Kunden und können nur schwer Fuß fassen. Ihr Vertrieb wird digital, aber vorerst nicht nur direkt: Sie legen dafür insbesondere bei der Digitalisierung der Vermittlerschnittstellen vor.

Learning 2

Der Direkt-Weg ist noch am Anfang

Der Direktvertrieb spielt heute noch keine dominante Rolle, doch er wächst kontinuierlich und wird sich zunehmend etablieren. Mit steigender Akzeptanz von Direktabschlüssen bei einer jüngeren Zielgruppe könnte sich der Markt deutlich stärker für InsurTechs öffnen und die Gemengelage neu sortieren.

Learning 3

Neues Kaufverhalten verlangt hybride Vertriebswege

Insgesamt zeigt sich, dass die klassische Vertriebswegetrennung und -zuordnung (direkt = online, Vermittler = offline/persönlich) nicht mehr funktioniert. Durch das zunehmend hybride Kaufverhalten der Kunden werden auch Vertriebswege und Vertriebsausrichtungen hybrid.

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